Ich bin eine eierlegende WollMilchSau – und der neue Chief Disruption Officer Deiner Firma!
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Herausforderung: die Auftragsklärung
Ein neuer CDO soll bei den Konzernen oft den „Tanker bewegen und in Schnellboote verwandeln“, schließlich hört und liest man ja überall von Startups, Agil, Dynamik, Disruption und stetiger Veränderung. Da stellt sich doch die Frage (typischerweise an HR) wer erstellt den das JobProfil für einen Job, den es noch nie gab und dessen Ziele so faszinierend unterschiedlich, ja widersprüchlich sind. Schließlich wird jeder seine eigene Vorstellung davon haben, was der künftige CDO „endlich“ angehen soll – fragen Sie doch mal Kollegen aus unterschiedlichen Funktionen!
In der folgenden Liste habe ich einmal einige (Achtung Buzzword-Bingo) zusammengefasst:
Typische CDO Erwartungsperspektiven:
- Neue(s) Business Modell(e) finden, entwickeln und bitte gleich den Return on Investment im ersten Jahr sicherstellen
- Change Manager (Disruption, Innovation…) der die gesamte Organisation in die neue Arbeitswelt führt
- Neue Vertriebs- und Finanzierungskanäle – vom Crowdfunding über Crowdstorming, Crowdworking und Social Marketing
- Digital Mindset / Organisationsentwicklung – nachhaltige Veränderung der Unternehmenskultur
- Board Coaching / Trainer für die anderen Vorstände
- Smart Factory – die intelligente Fabrik, digitalisierte, automatisierte und vernetzte Produktionsumgebungen mit neuen agilen Werkzeugen bis zur Losgröße 1 (zugleich stetig wachsender Fokus auf Service-Orientierung stattfindet – also „nicht-produktion“)
- BigData / Analytics / Predictive – alles was man mit Daten, deren Analyse und Vorhersagbarkeit so treiben kann
- Rechtsanwalt – Arbeit 4.0, Zusammenarbeit mit Externen, Compliance… siehe unten „illegal“
- Neues IT Framework – moderne Softwarearchitekturen, Werkzeuge und Apps einführen
- Digitales Vorbild / Botschafter – Sichtbar werden für neuen Arbeitsstil, Führungskultur – am Besten auch nach außen werbewirksam
- Digitale Prozesse / Digitale Effizienz – den systemischen Organisationsmotor generalsanieren
- Social Media extern – von Arbeitnehmerattraktivität über Recruiting (von natürlich Digital Professionals) bis zu Wirkungsverbesserung durch virales Marketing
- Interne Kommunikation und Zusammenarbeit (Enterprise Social Networking)… – die gesamte Belegschaft, inklusive Fabrikarbeiter mobil, vernetzt, zeit- und orts-unabhängig sowie skallierbar in Arbeit 4.0 führen
Diese Liste an Erwartungen ist sicher alles andere als vollständig, soll aber zeigen, dass es nicht einfach ist, das Profil für diese Position so zu definieren, dass der Inhaber überhaupt eine Chance hat Wirkung zu entfalten. Schließlich gilt es neben den fachlichen Aufgaben auch die bestehende Kultur, Politik, Seilschaften etc. kennen zu lernen und dann nachhaltig zu verändern.
Herausforderung: Woher nehmen, diese CDO – eierlegende WollMilchSau?
Wie einer der Headhunter mal so schön formulierte:
„der Kreis derer, die als CDO überhaupt nur annähernd in Betracht kommen, hat den Radius „null““
Es gibt keine Ausbildung zum CDO, typische Karrierewege erzeugen meist „system-stabilisierende“ Vertreter, wer will einem „jungen Wilden“ die Verantwortung über einen Konzern geben. Die Zahl derer, die in ähnlichen Rollen erfolgreich sind, ist äußerst überschaubar – Nachahmung schwierig- und oft auch nicht einfach übertragbar… auch die großen Consulting Riesen sind hier sicher keine Hilfe, da deren Reifegrad hier ähnlich jungfräulich ist (Es gibt keine Blaupausen, die man aus der Schublade ziehen könnte, keine Beweise, kaum Studien die als Handlungsanleitung taugen)
Also wird nach Kompromissen gesucht, das kann dann z.B. so aussehen:
- wir nehmen eine(n), der schon Vorstand war/ist … dort findet man kaum Digital Natives (damit ist nicht vorrangig das Alter, vielmehr deren Haltung gegenüber neuen, disruptiven Entwicklungen gemeint, die noch nicht allgemein als erfolgreich, bleibend und wichtig/prägend anerkannt sind), aus Karrieregründen kaum jemanden, der mit Transparenz, Beteiligung und agilen Methoden risikofreudig umgeht
- wir nehmen eine(n), der IT kann … wohl einer der häufigsten Fehler, Digitale Transformation mit IT zu verwechseln. Wohl ist ein guter Teil (ca. 20%) mit Software, Tools und IT KnowHow verbunden, der Großteil geht aber um völlig andere (oft sehr IT fremde) Themen – es geht sehr viel um Führung! siehe Liste oben
- wir nehmen eine(n), der schon ein Startup erfolgreich gemacht hat … das führt auf beiden Seiten zu großen Enttäuschungen: Freiheit, Sicherheit, Vorgaben, Rahmenbedingungen, Größe, Internationalität… Assimilation garantiert
- wir nehmen jemanden, der Karriere machen will und großes Potential zeigt … Wer Karriere machen will ist meist doch recht Regel-konform unterwegs. Wer traut es sich „alles“ in Frage zu stellen bei einem System, in dem er/sie groß werden will? Risikobereitschaft, Fehler machen (dürfen) sind nicht die üblichen Treiber einer erfolgreichen Karriere
- wir suchen jemanden von Extern – klar, neue Besen kehren gut… wie sieht es aber mit der damit verbundenen sehr langen Anlaufzeit aus. Kann es sich z.B. ein Automobilkonzern in der heutigen Lage leisten jetzt mit jemandem bei null anzufangen, was die internen Kenntnisse, Netzwerke (oder besser Verstrickungen), Politik, Kultur angeht?
Den „fertigen“ CDO zu finden dürfte also ein schwieriges Unterfangen sein – eine Lösung wäre in meinen Augen mit der aktuellen Priorität zu beginnen und zu versuchen die fehlenden Merkmale zu intern zu entwickeln (ideal parallel mit allen anderen). Neben Kultur, Führung ist sicher „neues, konstantes Lernen“ auf allen Ebenen höchst relevant.
aus: https://www.linkedin.com/pulse/der-cdo-wirds-schon-richten-harald-schirmer